Die in Korea geborene Schriftstellerin Min Jin Lee befasst sich in ihrem Roman „Gratisessen für Millionäre“ mit den Erfahrungen koreanischer Einwanderer in den USA und deren Nachkommen. Die Autorin lebt seit vielen Jahren in Amerika und weiß, wovon sie spricht.

Die Autorin Min Jin Lee emigrierte im Kindesalter mit ihrer Familie in die USA. Foto: Elena Seibert

Casey Han ist die Protagonistin des Romans „Gratisessen für Millionäre“. Sie stammt aus einer koreanischen Einwandererfamilie in den USA und lebt in New York. Ihre Eltern haben hart gearbeitet, um sie und ihre jüngere Schwester großzuziehen, aber sie haben auch hohe Erwartungen an Casey und ihre Zukunft. Casey ist eine ehrgeizige junge Frau, die an der Princeton University studiert hat. Obwohl sie so eine renommierte Universität besucht, gehört sie aufgrund ihrer armen Verhältnisse, aus denen sie kommt, nicht dazu – und das zeigen die anderen ihr auch. Sie ist intelligent und begabt, hat aber auch mit dem Druck zu kämpfen, erfolgreich zu sein. Obwohl Casey eine teure Ausbildung genossen hat, weiß sie erst einmal nicht, was sie mit ihrem beruflichen Leben anfangen soll. Deswegen arbeitet sie erst einmal in einem Modekaufhaus. Ihre Entscheidung stößt auf Unverständnis und Kritik von ihrer Familie, die eher eine traditionellere und finanziell stabile Berufswahl für sie bevorzugen würde, besonders ihr Vater geht sehr hart mir ihr ins Gericht. Nach einem heftigen Streit schmeißt er sie aus dem Haus.

Casey hat Beziehungen zu verschiedenen Männern, ihre romantischen Entscheidungen sind komplex und spiegeln ihre Suche nach Liebe und Zugehörigkeit wider. Als Casey sich von ihrem weißen Freund Jay Currie trennt, schreibt die Autorin, dass Jay in seinem unnachgiebigen amerikanischen Optimismus sich weigert zu erkennen, dass Casey aus einer Kultur stammt, in der gute Absichten und klare Gedanken nicht alle Wunden heilen können. Bei ihren Eltern hat das jedenfalls nicht geklappt. Sie sind Koreaner mit gebrochenem Herzen – das ist nicht Jays Schuld, aber wie soll er ihre Art von Kummer verstehen? Zu dieser Textpassage sagt die Autorin Min Jin Lee in einem Interview mit dem Magazin „The New Yorker“ sinngemäß: „Es gibt zahlreiche Menschen mit guten Absichten, die denjenigen helfen möchten, die in Armut aufgewachsen sind und die für ihre Armut verachtet wurden. Allerdings müssen sie möglicherweise erkennen, dass ihre wohlmeinenden Absichten nicht zwangsläufig für die Betroffenen funktionieren. Oft fehlt es ihnen an einem tiefen Verständnis für die komplexen Herausforderungen und individuellen Bedürfnisse dieser Menschen, was dazu führen kann, dass ihre Bemühungen nicht den gewünschten Erfolg bringen.“

Ein zentrales Thema des Romans ist Caseys Suche nach ihrer kulturellen Identität als koreanisch-amerikanische Frau. Sie muss mit den Erwartungen ihrer konservativen Eltern, den Herausforderungen in der amerikanischen Gesellschaft und ihrem eigenen inneren Konflikt zwischen ihren kulturellen Wurzeln und ihrer amerikanischen Erziehung umgehen. Ständig ist sie in finanziellen Schwierigkeiten und das in einer Stadt wie New York. Sie haut ihr Geld raus, kauft sich teure Kleidung, die sie sich nicht leisten kann, ihr Schuldenberg wird immer größer. An manchen Tagen ist sie so hungrig, dass sie sich nicht mal eine einfache Mahlzeit leisten kann. Caseys innere Zerrissenheit bringt die Autorin Min Jin Lee sehr gut rüber.

Die Schriftstellerin wurde 1968 in Seoul geboren und zog im Kindesalter mit ihrer Familie in die Vereinigten Staaten. Über ihre Ankunft in den USA sagt sie im Interview mit dem Magazin „The New Yorker“: „Als ich zum ersten Mal hierher kam, war ich wirklich enttäuscht. Ich dachte, dass Amerika wie „Aschenputtel“ sein würde, mit einem Flughafen wie aus dem Märchen; Menschen, die Ballkleider tragen und in Postkutschen fahren. So dumm war ich. Und dann wurde mir klar, dass es in New York genauso aussieht wie in Seoul, nur dass die Leute keine Koreaner sind. Ich empfand New York damals als richtig hässlich.“ Sie studierte an der Yale University und arbeitete vor ihrer Schriftstellerkarriere als Rechtsanwältin. „Gratisessen für Millionäre“ ist ihr Debütroman und erschien im Englischen bereits im Jahr 2007. Mit ihrem zweiten Roman „Pachinko“ (der deutsche Titel lautet „Ein einfaches Leben“) wurde sie weltberühmt. Der ehemalige Präsident Barack Obama setzte 2019 „Pachinko“ auf die Liste seiner Lieblingsbücher. Das Buch erzählt die Geschichte einer koreanischen Familie über vier Generationen hinweg, beginnend in den frühen 1900er Jahren in Korea während der japanischen Besatzung bis hin zur Gegenwart in Japan und den Vereinigten Staaten.

Die erste große Einwanderungswelle koreanischer Einwanderer in die USA begann in den späten 1800er Jahren und erreichte in den 1900er Jahren ihren Höhepunkt. Eine weitere bedeutende Welle erfolgte nach dem Koreakrieg (1950-1953), gefolgt von weiteren Migrationen in den 1970er und 1980er Jahren. Laut Schätzungen des US Census Bureau leben heute (Stand 2021) mehr als 1,8 Millionen koreanischstämmige Amerikaner in den USA.

Casey Han aus „Gratisessen für Millionäre“ ist eine tiefgründige und vielschichtige Protagonistin, die den Leser auf eine emotionale Reise mitnimmt. Sie ist frech, tritt selbstbewusst auf, hat aber auch mit ihren Selbstzweifeln zu kämpfen. Das Ende ist offen, ein kitschiges Happy End hätte auch einfach nicht zu der Geschichte gepasst.

Buch des Monats: „Gratisessen für Millionäre“ von Min Jin Lee

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