„Adiós Buenos Aires“ ist der erste Spielfilm des argentinischen Regisseurs German Kral. Darin geht es um einem Argentinier, der während der Wirtschaftskrise nach Deutschland auswandern will. Kral kam 1991 wegen des Studiums nach München, wo wir uns zum Gespräch treffen.

Es ist ein wuseliger Abend in München. Das schöne Wetter und der Feiertag sorgen dafür, dass sich das Leben in der bayerischen Hauptstadt draußen abspielt. Vor den Eisdielen stehen Jung und Alt Schlange, die Cafés sind draußen bis auf den letzten Platz besetzt. Ich fahre mit dem Fahrrad zu dem verabredeten Café, das sich in dem Viertel befindet, in dem der argentinische Regisseur German Kral wohnt.

Anlass des Interviews ist sein Film „Adiós Buenos Aires“, der während der Wirtschaftskrise und den damit einhergehenden Unruhen 2001 in der argentinischen Hauptstadt spielt. Nachdem Kral mehrere Dokumentarfilme über Tanz und Musik gedreht hat, gibt er mit „Adiós Buenos Aires“ sein Spielfilmdebüt. Der Protagonist der charmanten Komödie heißt Julio Färber (gespielt von Diego Cremonesi), der in seinem kleinen Schuhladen arbeitet und abends mit seinen Tango-Kollegen zum Musikspielen auf der Bühne steht. Viele Kunden hat sein Schuhgeschäft schon lange nicht mehr gesehen, auch auf der Bühne fällt plötzlich mal der Strom aus. Julio ist frustriert von dem Land, indem einfach nicht mehr viel funktioniert. Er möchte sich ein neues Leben in Deutschland aufbauen, dem Land seiner Vorfahren.

Szene aus dem Film „Adiós Buenos Aires“ mit den Schauspielern Diego Cremonesi und Marina Bellatti. Fotos: Adiós Buenos Aires/Alpenrepublik Filmverleih

Um sich ein Flugticket leisten zu können, will er sein Auto verkaufen. Doch daraus wird erst mal nichts, da es zu einem Zusammenstoß mit der Taxifahrerin Mariela (gespielt von Marina Bellati) kommt. So nimmt sein Leben viele Wendungen, der Ausgang soll hier nicht verraten werden. Kral, der auch Produzent des Films ist, ist eine sehr witzige, rührende, teils traurige Sozialkomödie gelungen. Wie sagte mein Vater so schön: „Die Menschen haben trotz ihrer schwierigen Situation alle etwas Würdevolles.“ Als ich ihm das erzähle, sagt Kral. „Wir haben versucht ihnen diese Würde zu geben. Es freut mich, wenn das bei den Zuschauern rübergekommen ist.“

Viel Zeit und Energie steckt Kral, der 1991 nach Deutschland kam, um an der Hochschule für Fernsehen und Film in München Regie zu studieren, in seine Projekte. „Ein Dreh ist sehr anstrengend. In dieser Zeit kann man sich praktisch von seinem normalen Leben verabschieden, es zählt nur der Film.“ Im März 2020 ging es mit den Dreharbeiten los. Wegen der Pandemie konnten sie erst wieder 2021 weiter machen. Die Unterbrechung war für Kral eine schwierige Zeit, weil er auch nicht wusste, wie und ob es weitergeht. „Ich hatte keinen Plan B. Ich dachte mir, was ist, wenn einer der Schauspieler plötzlich an Corona stirbt?“

Die Schauspieler Rafael Spregelburd (v.l.), Diego Cremonesi, Mario Alarcón, Carlos Portaluppi und Manuel Vicente. Foto: Adiós Buenos Aires/Alpenrepublik Filmverleih

Wenn Kral über sein Heimatland spricht, hört man einen gewissen Frust heraus. „Buenos Aires gilt als das Paris Südamerikas. Leider ist das schon lange her. Heute leiden 40 Prozent der Argentinier unter Armut, die Inflation liegt bei über 100 Prozent. Es ist sehr schade, wir haben Politiker, die nicht nur korrupt, sondern auch unfähig sind.“ Er schätzt an München die Ruhe, die Sicherheit, das Überschaubare. Der Vater eines Sohnes fliegt regelmäßig in seine Heimat, trifft sich dort mit seinen Freunden, die Bindung zu seiner Heimat ist eng. Den deutschen Regisseur Wim Wenders verehrt er, wegen ihm ist er nach Deutschland gekommen. Für ihn drehte er den Film „Musica Cubana“ über kubanische Musiker.

Regisseur German Kral (4.v.l.) mit den Darstellern aus „Adiós Buenos Aires“

Wie viele Argentinier ist Kral ein Tangoliebhaber, so drehte er die Dokumentarfilme „Der letzte Applaus – Ein Leben für den Tango“ und „Der letzte Tango“. Die Musik spielt auch in seinem aktuellen Film eine wichtige Rolle. Ich habe den Film auf Spanisch mit Untertiteln gesehen und es war absolut wichtig für das Verständnis, dass die Lieder übersetzt wurden, übrigens auch in der deutschen Fassung.

„Die Musik ist für den Film entscheidend, viele Tangos haben ganz besondere Texte“, sagt Kral. Ein Lied, das in dem Film und auf dem Soundtrack vorkommt, heißt „Cambalache“, das sich mit der Korruption im 20. Jahrhundert befasst. Im Film spielt die Band den Tango vor einem korrupten Senator, um ein bisschen Geld zu verdienen. Ich dachte erst, dass der Tango insofern ganz bewusst von der Gruppe gewählt wurde, um der reichen Elite den Spiegel vorzuhalten. Ich lag aber falsch, wie mir German Kral im Gespräch erklärt. Denn „Cambalache“ gehört zu den berühmtesten Tangos Argentiniens und wurde 1934 von Enrique Santos Discépolo geschrieben. Weil das Lied so beliebt ist, freut sich jeder Argentinier, wenn es gespielt wird. Für den Film haben die Schauspieler, die in Argentinien alle bekannt sind, ihre Instrumente extra lernen müssen. Durch die Pandemie hatten sie noch mehr Zeit zum Üben.

Foto: Adiós Buenos Aires/Alpenrepublik Filmverleih

Während unseres Gesprächs sitzen wir draußen, ganz in der Nähe steht eine Litfaßsäule. „Früher“, sagt Kral, „konnte man dort zahlreiche Filmplakate sehen.“ Leider würden die Menschen immer weniger ins Kino gehen, nur bei den großen Blockbustern wie „James Bond“ blieben die Zuschauerzahlen konstant hoch. Wie jeder Regisseur möchte Kral, dass die Menschen ins Kino gehen und sich dort seine Filme anschauen. Nach einer Vorführung des Films „Adiós Buenos Aires“ kam eine Frau auf ihn zu und sagte: „Durch den Film ist mir bewusst geworden, wie gut ich es doch habe.“ Und ein Mann bedankte sich für die Hoffnung, die er ihm gegeben habe. „Wegen solcher Begegnungen mache ich Filme“, sagt Kral.

Die Idee zu dem Film kam Kral bereits 2001 während der großen Wirtschaftskrise in Argentinien. Dass der Film erst 20 Jahre später entstanden ist, sieht er mit Humor. „Es fühlt sich an wie ein Meilenstein, wie ein Doktortitel.“ Jetzt hat es eben länger gedauert. Aber alles braucht seine Zeit, vor allem die guten Dinge.

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German Krals Spielfilm „Adiós Buenes Aires“ – Tango in schwierigen Zeiten

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2 Gedanken zu „German Krals Spielfilm „Adiós Buenes Aires“ – Tango in schwierigen Zeiten

  1. hallo Martina, habe auf Martins Empfehlung den Film von German Kral gesehen und genossen!
    Dein Bericht über das Interview ist auch spannend.
    Gruss Herbert, Onkel

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