Foto: Spencer McDonald

Die schweizerisch-japanische Modedesignerin Kazu Huggler transportiert mit ihren Entwürfen japanische Ästhetik in das moderne Zeitalter. Dabei verwendet sie unter anderem alte Kimono-Stoffe. Schon ihre Großmutter, die aus einer einflussreichen Politikerfamilie stammte, liebte den eleganten Mix aus Kimonos und westlicher Kleidung.

Das Nähen von Kleidern war in Kazu Hugglers Kindheit ihr Rückzugsort. Damals war die Tochter einer japanischen Mutter und eines schweizer Vaters gerade elf Jahre alt und mit ihrer Familie von Tokio nach Zürich gezogen. Die Modedesignerin kannte die Schweiz zwar gut aus den Sommerferien und dem Ferienlager, genoss eine westliche Erziehung, schweizer Au-Pairs arbeiteten bei der Familie. Trotzdem ist es noch einmal etwas anderes, wenn man dort plötzlich wohnt und eine andere Kultur in sich trägt. “Am Anfang war es schwierig”, gesteht sie, während wir uns über Zoom unterhalten.

Die Modedesignerin Kazu Huggler. Foto: Katharina Lütscher

In Japan ist es wichtig, dass man sich in die Gesellschaft einfügt, eine rücksichtsvolle Haltung einnimmt. In der Schweiz musste Huggler lernen, für sich einzustehen. “Ich musste mich erst einmal daran gewöhnen, mich nicht zu viel zu entschuldigen. Auch musste ich lernen, wie man ein offenes und kritisches Gespräch führt.” Kraft gab ihr in dieser Zeit das Schneidern ihrer eigenen Kleidung. Sie machte damals keinen Kurs, brachte sich alles selbst bei. “Wenn man etwas trägt, das man selbst kreiert hat, dann gibt einem das unendlich viel Halt.”

Wenn man es nicht wüsste und die 54-Jährige sprechen hört, glaubt man gar nicht, dass sie Halbjapanerin ist, weil sie den schweizer Dialekt perfekt beherrscht. “Die Menschen in Japan erschrecken immer, wenn ich fließend Japanisch spreche, weil ich gar nicht so aussehe”, sagt sie. Aus diesem Grund genieße sie in dem Land ihrer Mutter auch eine große Narrenfreiheit, in Japan leben könnte sie allerdings nicht mehr. Das begründet sie unter anderem damit, dass es heute für Frauen in Japan nicht einfach sei. Damals habe es eine starke Frauenbewegung gegeben, im Gegensatz zu heute.

Die Stellung der japanischen Frau liegt Huggler sehr am Herzen. Noch bis zum 7. Januar 2024 präsentiert sie ihren Beitrag „Unstitch and Liberate!“ im Zürcher Museum Rietberg im Rahmen der Ausstellung „KIMONO – Kyoto to Catwalk“. Die Ausstellung feiert und hinterfragt die Geschichte dieses berühmten Kleidungsstückes, wofür Japan unter anderem so berühmt ist und beleuchtet die Frauen aus dieser Zeit.

Nachdem Huggler Ende der Achtzigerjahre ihr Abitur in Zürich absolvierte, ging sie nach Tokio, um dort japanische Kunstgeschichte und Ästhetik an der Keio Universität zu studieren. Erste Berufserfahrungen sammelte sie im Marketing des Zürcher Seidenhauses “Fabric Frontline”. Doch sie wollte etwas Eigenes schaffen. “Ich konnte nicht kreativ arbeiten. Ich war zwar das Gesicht für die Schweiz und für Japan, aber ich war nicht mein eigenes Gesicht.” Um ihre eigene Modelinie auf den Markt zu bringen, besuchte die Autodidaktin die Zürcher Hochschule für Gestaltung und später das Central Saint Martins College of Art and Design in London.

Ein Jumpsuit aus Kazu Hugglers Kollektion. Foto: Kazu Huggler

2002 gründete sie ihr Modelabel KAZU, deren Kleidungsstücke stark von Japan inspiriert sind. Aus traditionellen Kimono-Stoffrollen schneidert die 54-Jährige zeitgenössische Mode für Frauen jeden Alters. An der Londoner Modeschule wurde Huggler von einer Dozentin für ihre japanischen Entwürfe kritisiert. Sie fand, Huggler mache es sich zu einfach, wenn sie wie viele andere japanische Studenten ihren modischen Schwerpunkt auf Japan setze. Die Kritik saß, forderte sie aber auch. Sie ließ es erst mal ganz mit japanischer Kunstgeschichte und probierte es mit afrikanischer Kunst, aber auch das stellte sie nicht zufrieden. “Das war mir so fremd, ich hatte keinen Bezug. Also legte ich wieder den Schwerpunkt auf Japan, machte aber etwas ganz eigenes daraus“, erzählt sie.

Die Modedesignerin zog im Kindesalter mit ihrer Familie von Japan in die Schweiz, in die Heimat ihres Vaters. Foto: Spencer McDonald

Ihre Mutter ist nach dem Tod des Vaters wieder nach Japan zurück gegangen. Beide lernten sich in den Sechzigerjahren kennen und lieben, als er in Tokio für eine Schweizer Bank arbeitete. Die Mutter stammt aus einer politisch sehr einflussreichen Familie. “Meine drei Urgroßväter haben viel in der Politik bewegt, sie setzen sich für die Öffnung zum Westen ein.” Mode spielte damals insofern eine Rolle, weil sie von den Frauen aufgrund der Stellung zum Repräsentieren eingesetzt wurde. “Meine Großmutter liebte Kleidung. Ihre Garderobe war eine Mischung aus eleganten Kimonos und modischer westlicher Kleidung, die sie mit beeindruckender Selbstverständlichkeit und Coolness trug. Sie war eine engagierte Bildungspionierin und gründete eine englische Schule in Tokyo.”, sagt Huggler.

Heute besucht Kazu Huggler ihre Mutter regelmäßig in Japan, aber auch, um sich für ihre Mode inspirieren zu lassen. “Es geht nicht darum, viele Kleider zu kaufen, sondern, dass man das, was man kauft, auch lange behält.” Mode mit Geschichte – für Kazu Huggler eine Selbstverständlichkeit.

Homepage Kazu Huggler

Foto Aufmacherbild: Spencer McDonald

Zwischen Tokio und Zürich – Kazu Huggler macht Couture für Individualistinnen

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