Die Designerin Min Peng ist schon viel in der Welt herumgekommen. In ihrem Münchner Concept Store „Ninetydays“ verkauft sie ausgefallene Mode mit Twist. Im Interview spricht sie unter anderem darüber, warum ein Treffen mit einem Wirtschaftsprofessor ein einschneidendes Erlebnis war.

Sie sind in Shanghai aufgewachsen. Wie war Ihre Kindheit?

Min Peng: Es war eine sehr schöne Kindheit. Mein Vater arbeitete als Theaterschauspieler, meine Mutter war Ingenieurin. Mein Großvater studierte in Harvard, er wollte meine Schwester und mich in den Achtzigerjahren unbedingt in die USA schicken. Meine Eltern waren anfangs nicht so begeistert. China hatte sich zu dem Zeitpunkt gerade geöffnet, wir bekamen den ersten Fernseher, ich war glücklich in China. Doch mein Großvater wollte, dass wir die Welt sehen.

Aber dann ging es zuerst einmal nicht in die USA, sondern 1990 nach Tokio

Genau. Ich hatte gerade die Highschool beendet. Japan war nicht so weit weg. Ein Cousin lebte bereits dort. Tokio war damals im Vergleich zu Shanghai schon sehr international, ich liebte es. Ich bin dort das erste Mal zu McDonalds gegangen (lacht).

War die japanische Sprache schwer für Sie?

Nein, ich habe es in drei Monaten gelernt. Chinesisch ist dem Japanischen sehr ähnlich, daher fiel es mir leicht. Ich habe mich an verschiedenen Universitäten beworben. Meine Eltern wollten, dass ich Wirtschaft studiere, etwas Solides lerne. Allerdings kam ich zu dem Treffen mit dem Wirtschaftsprofessor 16 Minuten zu spät, weil die U-Bahn unerwartet hielt. Der Professor sagte zu mir, dass er nie länger als eine Viertelstunde auf jemanden wartet, erst recht nicht, wenn jemand etwas von ihm will. Er sagte auch, dass ich aus einer großartigen Kultur käme, aber mittlerweile seien die Japaner den Chinesen voraus, weil sie Zeit ernst nehmen würden. Heute würde man sagen, dass seine Aussage rassistisch war. Ich hatte auf jeden Fall meine Lektion gelernt, auch wenn es mit der U-Bahn nicht meine Schuld war. Aber traurig war ich über diese Absage trotzdem erst einmal.

Sie wären dann allerdings nicht in der Modebranche gelandet. Sie entschieden sich daraufhin für ein Designstudium und arbeiteten sieben Jahre in Japan in der Fashionindustrie. Wie war diese Zeit für Sie?

Großartig. Ich liebe die japanische Ästhetik. Die Japaner haben sehr viel von den Chinesen importiert und es dann auf ihre Weise perfektioniert. Modetechnisch waren die Japaner einerseits sehr mutig, andererseits auch sehr angepasst. In den Modeunternehmen, in denen ich arbeitete, trug man immer nur die Kleidung der Firma. Es gab genaue Vorschriften, wie man ein Telefongespräch annimmt, wie die Stimme zu sein hat, wie man an einem Kunden eine Karte schreibt, wie man Tee serviert. Es ist im Gegensatz zu China viel hierarchischer, auch sind Frauen in China nicht so unterwürfig, sie arbeiten in Führungspositionen. Und die japanischen Frauen tragen immer Socken und Strumpfhosen (lacht). Meine Zeit in Japan war sehr schön, ich habe mich dort sehr gut angepasst, habe es nicht hinterfragt, dadurch hatte ich viele Annehmlichkeiten. Viele Japaner sagten mir, dass ich sehr Japanisch sei. Das war ein Kompliment und darüber habe ich mich sehr gefreut.

Warum haben Sie Japan verlassen?

Mitte der Neunziger machte ich viele Geschäftsreisen, auch nach Europa, Ich kann mich erinnern, dass ich einmal in Köln war. Das Hotel lag etwas außerhalb, dort sah ich ein Paar, das vor seinem Haus in seinem Garten einen Kaffee trank. Ich kannte das von Japan gar nicht. Dort ist alles immer so hektisch, alle sind beschäftigt. Da trinkt unter der Woche keiner mal in seinem Garten einfach so einen Kaffee (lacht). Abgesehen davon, dass viele Japaner keinen Garten besitzen, weil sie den Platz nicht haben. Es wirkte sehr friedvoll auf mich, diese Welte kannte ich so nicht. Und ich erinnerte mich an meinen Großvater, der gerne gehabt hätte, dass wir in die USA gehen. Ich wollte auch mein Englisch verbessern. So ging ich Mitte der Neunziger zuerst nach New York und dann nach Dallas.

New York und Dallas. Die Unterschiede sind bestimmt auch recht groß?

New York hat mir gar nicht gefallen. Ich war schon fast enttäuscht. Es war so schwer eine Wohnung zu finden. Und es war sehr schmutzig. Wenn man von Tokio kommt, wo alles sehr sauber ist, ist das erst einmal ein Schock (lacht). Ich hatte Verwandte in Dallas. Als ich am Flughafen ankam, fragte mich ein Fremder, ob ich schon einmal in Dallas gewesen sei, was ich verneinte. Darauf meinte er: “Welcome to Dallas, sweetheart” (lacht). Schon der Empfang war so freundlich. In Dallas hatte sich damals sehr viel getan. Es gab viele Tech-Unternehmen, Künstler und Galerien. Ich lernte viele interessante Menschen kennen. Ich arbeitete für ein Trading-Unternehmen. Es war praktisch die Schnittstelle zwischen den amerikanischen Modehäusern und den japanischen. Japanische Firmen konnten ihre Mode nicht direkt verkaufen, sie brauchten immer einen Vermittler.

Wie kamen Sie nach Deutschland? 

Wegen der Liebe. Es war aber nur eine kurze Romanze. Wenn man jung ist, denkt man schnell an die große Liebe (lacht). Dann fragte ich mich, wo ich leben möchte. In Shanghai fühlte ich mich zu sehr als Tochter, weil dort meine Eltern leben. Ich entwickelte mich durch meine Zeit in den USA persönlich weiter, deswegen kam auch Japan nicht mehr für mich infrage. Ich wollte noch etwas Neues wagen, ein Risiko eingehen. So blieb ich in München, und das mittlerweile schon seit fast 20 Jahren. Ich bin mit einem Deutschen verheiratet und habe eine Tochter. München ist vielleicht nicht so eine Fashion-Metropole wie Paris, aber ich wollte es einfach probieren und den Münchnern modisch etwas anderes bieten (lacht).

Im Münchner Modehaus Lodenfrey präsentierten Sie dann 2006 Ihre Kollektion

Richtig. Das war ein toller Start für mich. Ich hatte meine Kleidung bei einer Freundin verkauft. Es war wie so eine Art Pop-Up-Store. Daraufhin kam ein Professor der Kunstakademie auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht bei Lodenfrey ausstellen möchte. Er stellte den Kontakt her.

Mit Ihrem Concept-Store “ninetydays” sind Sie in München mittlerweile in die Wurzerstraße umgezogen. Wer sind Ihre Kundinnen? 

Überwiegend finanziell unabhängige Geschäftsfrauen. Sie kommen aus München, Dubai, Mailand, London. Vorher war ich mit meinem Concept Store in der Nähe des Hotels Mandarin Oriental, dort hatte ich viel internationale Kundschaft. Die hochwertigen Kleidungsstücke werden in Italien gefertigt. Es ist ein kleiner Familienbetrieb, der von einer Frau geführt wird. Die Familie hat uns im Urlaub schon besucht.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Ich möchte mein Geschäft noch weiter expandieren und freue mich auf alles, was noch kommt.

Ninetydays, Wurzerstraße 11, 80539 München

Homepage des Concept Stores Ninetydays

Instagramaccount von Ninetydays

Shanghai, Tokio, Dallas, München – Designerin Min bringt ausgefallene Mode nach München

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